Den ganzen Sommer über war ich immer wieder da, mal alleine, dann wieder mit anderen. Das kleine Elbstück unten in Blankenese bedeutet für mich immer wieder Entspannung, das Leben genießen und ein klitzekleines bisschen Urlaub.
Als am Nachmittag die Sonne langsam tiefer stand, weiches Licht und lange Schatten warf, überlegte ich, ob ich nicht noch schnell einen kleinen Abstecher zum Strand machen sollte. Schließlich war es der allerletzte Spätsommerabend in diesem Jahr. So gerne wollte ich das Glück noch einmal in mich einsaugen, dass ich dort unten empfinde. Auf der anderen Seite musste ich ja eigentlich packen und aufräumen.
Hach, ich kann mich selber immer wunderbar überreden, unangenehme oder lästige Aufgaben zu verschieben. Packen kann man ja auch später.
Also schlüpfte ich in meine Laufschuhe und ging raschen Schrittes gen Elbe.
Als ich unten ankam, dachte ich nur „oh mein Gott, wie ist es schön!“. Das Licht fiel ganz weich auf den Fluss. Da gerade Ebbe war, zog sich ein breiter Sandstreifen am sonst manchmal recht schmalen Ufer entlang. Kinder tobten im seichten Wasser, ein Vater schob telefonierend den Kinderwagen durch den Strand. Am Picknickplatz sass wieder die Grillfamilie vom letzten Mal, ganz stylisch mit Weingläsern und Minitisch. Ein wenig weiter lehnten hübsche Omis und Opis an einer Maue, neben sich eine Flasche Wein. Ein Mann hatte eine Fotoanlage aufgebaut. Seine Kamera stand auf einem Stativ und löste alle paar Sekunden aus. Eine tolle Idee, denn somit konnte er die langsam im Fluss versinkende Sonne fast in Echtzeit festhalten.
Die Stimmung war Postkarten reif! Intensiv atmete ich durch und stellte fest, dass ich einfach nur Sommer und Wärme roch. Eigentlich hatte ich ein wenig Herbst erwartet. Aber der war nicht da. Die Luft war schwer und warm und unterstrich, dass der Sommer dieses Jahr der Star bei uns im Norden war, der sich hier sichtlich wohl fühlte.
In der Ferne dröhnte ein Motorboot, ansonsten war es ungewöhnlich still. Spaziergänger unterhielten sich leise, was im Vergleich zu dem vergangenen Monaten wirklich ungewöhnlich war. Vielleicht wollten auch sie einfach noch mal den Sonnenakku aufladen und jede Sekunde intensiv genießen. Sprechen kann man schließlich auch noch nach Sonnenuntergang oder im Winter.
Bevor die Sonne sich in einen tiefroten Feuerball verwandeln konnte, schob sich eine Wolkenwand davor. Vielleicht wäre es auch einfach zu viel Postkartenidylle gewesen.
Ich blickte ein letztes Mal aufs Wasser und sah, wie ein Polizeiboot bei einem Kutter längsseits ging. Leider konnte man nicht hören, über was sie sprachen. Um Schmugglerware wird es sicherlich nicht gegangen sein, sondern eher ein Vergehen auf der Wasserstraße. Vielleicht ist der Mann einfach zu schnell gefahren?
Oben am Abendhimmel flog ein Flugzeug, dass in über 10.000 m Höhe einen weißen Kerosinstreifen hinter sich herzog. Es sah so schön aus, der helle Streifen vor dem dunkelblauen, lila, gelb schimmernden Himmel.
Ich schnupperte noch mal intensiv, roch aber dieses Mal nicht den Geruch von frischem Meer oder Wasser. Manchmal gibt es an der Elbe nämlich den unverkennbaren Geruch von Frische, der mit einer leicht kühlen Brise verbunden ist.
Als die Sonne kaum noch zu sehen war, konnte ich mich endlich los reißen und meinen Lieblingsplatz den Rücken kehren.
P.S. Damit Ihr überhaupt wisst, weshalb ich heute so ausführlich über meinen Lieblingsplatz und die Wahrnehmungen gesprochen habe, hole ich noch mal kurz aus. Wenn man über neun Stunden im Flugzeug sitzt, hat man schließlich viel Zeit zum Denken ;-)
Zum Jahresende hatte Annette von Blick 7 ein neues Fotoprojekt gesucht.
Ich hatte ihr damals vorgeschlagen, einen Ort aufzusuchen und sich dabei auf die Sinne zu konzentrieren. Wie riecht es dort, was hört man, was sieht man, was fühlt man? Die Idee stammt Jamie, die Professorin an einer amerikanischen Universität ist.
Sie hatte ihren Studenten damals die Aufgabe gegeben, sich einen Ort zu suchen, den sie einmal wöchentlich aufsuchen sollten. Jede Woche gab es dann ein neues Thema, über das sie einen Aufsatz schreiben sollten. Dabei sollte man stets nur einen Reiz, dafür aber intensiv, ansprechen.
P.P.S. Und wie der Zufall es wollte, ging auch heute die Sonne in Vancouver ziemlich spektakulär unter. Ob ich hier schon meinen Lieblingsplatz gefunden habe, weiß ich nicht. Aber hübsch sah es aus.
Das ist ja ein Klasse Ort zum laufen. Vor allem wenn gerade die Sonner untergeht. Da würde ich auch öfter mal eine Bahn ziehen.