Heute fahren wir nach Portland, Oregon. Es ist eine wundervolle Stadt und dennoch fällt es mir schwer, sie zu beschreiben. Lonely Planet schreibt „Während sich New York ständig selbst neu erfindet, und San Francisco seine Haight-hippies durch saftige Immobilienpreise vertrieben hat, steht Portland , diese verrückte Metropole, für alles Coole, Hippe und Progressive.“
Eigentlich trifft es das ganz gut. Denn Portland ist vor allen Dingen cool.
Jedenfalls ist Portland ganz anders als zum Beispiel New York oder Los Angles. Genau wie Seattle und New Orleans hat auch Portland eine Seele, etwas eigenes, das es zu einer ganz besonderen Stadt macht. Natürlich ist auch New York einzigartig und unvergleichbar, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass es seinen Flair verliert. Es ist schwierig in New York noch Einheimische zu finden, da man meist von Deutschen, Franzosen oder Italienern umgeben ist. Ganz Europa fährt zum Big Apple, shoppt sich dusselig und besichtigt jede erdenkliche Sehenswürdigkeit (ich darf das sagen, habe ich nämlich auch gemacht. Aber ich habe mir das Gekletter auf die Freiheitsstatue und so erspart. Das war mir wirklich zu touristisch.).
Portland ist bodenständig, grün und umweltbewusst. Wenn die Amerikaner etwas machen, dann entweder ganz oder gar nicht. Die Stadt ist fahrradfreundlich ohne Ende. Während ich hier in Hamburg viele Fahrradwege als Zumutung bezeichne und lieber auf der Straße fahre, ist der Zustand der Radwege in Portland traumhaft. Sicherlich gibt es auch dort mal eine kleine Unebenheit, aber ganz so schlimm wie das Verkehrsschild es darstellt, habe ich es nicht empfunden. Ich habe kurz überlegt, ob ich das Schild einfach abmontiere und hier aufhänge. Aber dann gibt es bestimmt Ärger, weil die Verkehrsminister, Polizei oder wer auch immer keinen Spaß versteht. Ich auch nicht.
Die Portländer sind ja auch kleine schlaue Köpfe. Da es in Amerika laut meiner Freundin keine Litfaßsäulen gibt (wie kann man ohne leben?), schlagen die pfiffigen Kerlchen ihre Infos einen an den hölzernen Laternenpfahl oder Stromast! Ich finde Litfaßsäulen ja super. Allerdings mag ich nur die altmodischen, an denen ein Mann die Plakate mit Kleber befestigt. Diese neumodischen sich drehenden Säulen oder diese dämliche Werbetafeln, auf denen genau zwei Werbeplakate passen, finde ich doof.
Wer nach längen Fußmärschen eine Pause braucht, kann sich entweder in einem der zahlreichen Parks erholen oder sich mit einem Kaffee oder einer Limo in einem der vielen Restaurants und Cafés stärken. Es gibt Städte, in denen es mir sehr schwer fällt, mich für ein Café zu entscheiden. Einfach, weil es uneinladener als das nächste wirkt, mich die Karte nicht überzeugt oder ich das Publikum komisch finde bzw. gar keins vorhanden ist. In Portland war es auch so. Ich konnte mich nicht entscheiden, wo ich gerne rein gehen möchte. Das lag allerdings daran, dass alle Läden so toll aussahen. Was ich total gerne mag sind Restaurants, bei denen man das Fenster versenken kann und so auf einmal halb im freien sitzt.
Was ich besonders gerne habe, sind die zahlreichen Food Carts.
Überall an der Straße oder an kleinen Plätzen stehen so Autos, mal größere mal kleinere, die sich auf eine Küche spezialisiert haben. Mexican Food, Vegan, Deutsche Bratwurst, Kreolische Küche, na alles mögliche eben. Man bekommt für wenig Geld ein wundervolles Essen und kann sich je nach Stand und Lage auf eine Picknickbank setzen. Da ich schrecklich gerne esse, fühlte ich mich natürlich wie im Mekka. Oh, und generell ist Portland ein wundervoller Ort für alle, die sich vegan oder glutenfrei ernähren.
In jedem Restaurant sind die Gerichte entsprechend ausgewiesen. Das ist total praktisch, da man erstens nicht nachfragen muss und man zweitens auf die Angaben verlassen kann. Wenn man mal ehrlich ist, sind die meisten Gerichte von Natur aus glutenfrei, außer man streckt sie mit Weizenmehl. In Portland ist das kein Thema, was zum Wohlfühlfaktor erheblich beiträgt.
Die Leute in Portland sind tiefenenstpannt und erden einen unglaublich. Ich war tatsächlich mehr als urlaubsreif, ausgebrannt und erschöpft. Bereits Seattle und Walla Walla gaben mir Ruhe und Gelassenheit, aber in Portland konnte ich meine Kräfte voll auftanken.
An einem Platz stand eine Musikgruppe mit Animateuren auf Hochstelzen, die innerhalb kürzester Zeit unglaublich gute Laune vertrieben haben. Einige gaben sich dem Rhythmus ganz hin, andere standen noch etwas zögernd daneben, aber am Ende strahlte jeder. Die Performance war wirklich unglaublich gut und gelungen. Wenn ich da an so manchen „Straßenmusiker“ hier denke, würde ich ihn doch sehr gerne in die Lehre schicken.
Ich habe noch nie eine Stadt erlebt, in der das Leben so gelassen zu geht. Man hupt nicht, man wartet überall anständig bis man dran ist (gut, das machen die Amerikaner eh), man hat es eben einfach nicht so eilig. Es gibt sicherlich auch andere Städte auf der Welt, in denen es ähnlich ist.
Ich möchte sehr gerne wieder nach Portland, weil ich einfach noch nicht alles gesehen und aufgesogen habe. Es gibt so viele unentdeckte Viertel und Ecken, sodass ich hungrig auf mehr bin. Wer schon viele Städte in Amerika gesehen hat und das Land und die Leute liebt, dem lege ich Portland tatsächlich sehr ans Herz. Es ist nicht New York, aber es ist ziemlich cool!
P.S. Die Aufnahmen sind im Oktober 2013 entstanden.