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Alltag

Erinnerungen an Helmut

November 22, 2014

Totensonntag! Ein recht merkwürdiger Kirchentag. Grundsätzlich finde ich es ja nicht verkehrt, sich an die Toten zu erinnern. Allerdings brauche ich dafür keinen Eintrag im Kalender. Alle Verstorbenen, die mich in meinem Leben berührt und bereicht haben, mich durch mein Leben begleitet haben, vergesse ich nicht. An einige denke ich fast täglich, zum Beispiel meine Oma und meine Patentante, an andere hin und wieder. Auf jeden Fall häufiger als nur einmal am Tag.

Als ich am Freitag erfahren habe, dass mein Onkel Helmut gestorben ist, erfasste mich eine Welle der Traurigkeit. Ich sass gerade am Rechner und starte auf die wirklich schlechten Fotos eines super leckeren Salats vom letzten Sonntag. Was konnte man von dem Foto eigentlich noch retten? Gar nichts!

Onkel Helmut

Ich schob die Sachen beiseite und dachte an Helmut. Wir hatten keine sonderlich enge Beziehung zu einander und haben uns nicht häufig in unserem Leben gesehen. Dennoch gehörte er irgendwie dazu, war immer da, wenn auch weit entfernt. Nun ist er mit 73 Jahren gestorben. Nicht sonderlich alt, wie ich finde. Es fühlt sich komisch an, dass er nicht mehr da ist. Mir fielen spontan ein paar Dinge ein, die ich ihn jetzt doch gerne noch gefragt hätte. Zum Beispiel, warum er sich eine Blockhütte in Schweden gekauft hat und wie ihm all die Auslandseinsätze gefallen haben. Als Kind fragt man so etwas nicht, weil es einen nämlich überhaupt nicht interessiert. Find ich ehrlich gesagt auch gut, also, dass man als Kind einfach andere Interessen hat, nämlich mit der Murmelbahn zu spielen, als unsinnge Fragen über den Beruf zu stellen.

Onkel Helmut und Oma

Ich kannte definitiv nur einen ganz kleinen Teil von Helmut, anders als meine Mama, seine Frau, Mutter, Kinder und Enkelkindern. Für mich war Helmut der Mann, der

1. rauchte,
2. ein Auto mit Kupplung fuhr,
3. ein Häuschen in Schweden,
4. und ein paar Butzenfenster hatte.

Ich kann verstehen, wenn man diese Punkte als merkwürdig empfindet. Dennoch war das Helmut für mich.

Onkel Helmut

1. Zigaretten

Helmut rauchte! Das fand ich als Kind toll! Ja ja, wie verwerflich von mir und was für ein schlechtes Vorbild er doch war. Neben Helmut kannte ich sonst nur noch die Freundin meiner Mutter, die rauchte. Im Restaurant habe ich immer nach einem Zahnstocher gegriffen und rauchen gespielt. Gibt es heute überhaupt noch Restaurants mit Zahnstochern? Meine Eltern wussten wohl, dass sie mir weder das Spiel noch das Rauchen als solchen verbieten müssten, ich würde noch schnell genug dahinter kommen, dass es ziemlich ungesund und doch nicht so toll ist. So war es dann auch. Bei meiner Oma hatte Helmut einen Spezialaschenbecher. Er war golden und sehr massiv. Die Asche und Zigaretten stippte man in die Schale. Dann gab es einen großen Stab, den man drückt und schon verschwand die Asche im Inneren des Aschenbechers. Toll, einfach toll!

2. Kupplung

Mein Vater dachte sich, wozu abmühen, wenn es auch automatisch geht und kaufte sich ganz american like ein Auto mit Automatik. Mein Onkel hingegen, ganz deutsch (oder sagen wir mal europäisch) fuhr einen Mercedes mit Kupplung! Hallo, mit Kupplung! Bitte alle jetzt einmal „Ohhhhhhh“ rufen. Gott, wie fand ich es schick, dass er ständig mit diesem Stock hin und her rührte. Und überhaupt, dieses kleine niedliche Ledersäckchen an der Stange. Ich war fasziniert und fuhr schrecklich gerne mit ihm Auto.

3. Schweden

Mein Onkel hatte sich eine Blockhütte (nicht in rot, sondern braun) in Schweden gekauft. Ich kannte sie nur von Bildern und war als Kind auch niemals in Schweden. Toll fand ich es schon. Vermutlich wegen all der Astrid Lindgren Bücher, ich weiß es nicht so genau. Auf jeden Fall kam der Puppenpapa meiner Puppenkinder aus Schweden. Und ich verkündete auch jedem stolz, dass ich später einen Schweden heiraten würde und nach Schweden ziehen würde. Und das (vermutlich) nur, weil im Wohnzimmer meiner Oma ein Bild von der Blockhütte meines Onkels hing. Warum er sich ausgerechnet ein Häuschen in Schweden gekauft hat, würde mich ja doch interessieren. Vielleicht als Ausgleich zu all seinen Einsätzen im damaligen Jugoslawien und Ungarn. Dort war er nämlich auf Baustellen unterwegs.

4. Butzenfenster

Ich frage mich, was mit Kindern eigentlich falsch ist. Sie haben manchmal die merkwüdigsten Geschmäcker. Da muss man sich nur mal so manches Kind anschauen, dass sich morgens selbst am Kleiderschrank bedient und sehr interessante Frabkombinationen zusammenstellt. Ich finde es übrigens gut, wenn Eltern das nicht unterbinden, sondern die Kinder einfach mal machen lassen. Und wenn es noch so unmöglich aussieht. Ich hatte als Kind eine Vorliebe für Butzenfenster. Diese gewölbten und getönten Scheiben fand ich todschick. Warum, weiß ich auch nicht. Im nachhinein hätte ich mich gefreut, wenn meine Eltern mit mir Interviews geführt hätten, die Antworten auf ein Stück Papier geschrieben und in einen Umschlag gesteckt hätten. „Nachrichten an Christines späteres Ich“ hätte drauf gestanden. Gut, gibt es nun nicht. Jedenfalls freute ich mich jedes Mal, wenn ich die schönen Fenster von Helmuts Haus sah.

Onkel Helmut

Ich denke, dass Helmut nicht von meiner Vorliebe von den Fenstern und dem Häuschen wusste, jedoch von den Zigaretten und der Kupplung. Auch wenn Helmut mich nur wenig direkt durch mein Leben begleitet hat, so war er doch ein Teil davon. Helmut, ich werde Dich in guter Erinnerung behalten. Und nicht nur als Onkel der rauchte, ein Auto mit Kupplung fuhr, ein paar Butzenfenster in sein Haus bauen ließ und in seiner Blockhütte entspannte.

Du wirst uns allen fehlen!

Onkel Helmut

 

P.S. Die Fotos stammen aus unseren Familienalben und wurden von meinem Vater aufgenommen.

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